Samstag, 1. November 2014

Erfahrungsaustausch der Arbeitsgemeinschaft Bildung Bayern mit der SPÖ in Wien


Im Rahmen der SPÖ-Bildungskonferenz wurde Marion C. Winter, Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft in Bayern und stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Bildung des Bundes, als Ehrengast zur Teilnahme an einer Podiumsdiskussion eingeladen. Dabei konnte sie den  Genossen in Österreich einen Einblick in die Bildungspolitik in Deutschland gewähren. Und zugleich Eindrücke aus dem benachbarten Österreich mit nach Hause nehmen.

Podiumsdiskussion auf der Bundesbildungskonferenz der SPÖ in Wien

Anders als in Österreich obliegt es in Deutschland jedem Bundesland, Standards in der Schulpolitik zu setzen. In einem vereinten Europa, so Winter, schaffen wir es nicht einmal in unserem eigenen Land ein einheitliches System einzuführen. Eine Tatsache, welche für die  österreichischen Nachbarn schwer nachvollziehbar ist. Erklärungsbedarf bestand auch im Hinblick auf die in Deutschland eingeführte Herdprämie. Diese sei, so die Meinung eines Teilnehmers, absolut kontraproduktiv. Durch sie besuchen gerade diejenigen Kinder, welche es besonders nötig hätten, nicht die Einrichtungen. Worauf Winter ausdrücklich darauf hinwies, dass sich hier eine Idee der CSU durchgesetzt hätte. Die SPD in Deutschland sei gegen das Betreuungsgeld gewesen.

Hier als auch dort besteht hingegen großer Bedarf an Veränderungen im Hinblick auf die  Chancengerechtigkeit bei der Bildung. In beiden Ländern hängt Bildung immer noch stark vom sozialen Milieu der Herkunft ab. Darüber hinaus bringen Arbeiterkinder, laut Karl-Heinz Gruber, Professor em. am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien,  einen angeborenen Minderwertigkeitskomplex mit, den die Schule überwinden muss. Aber auch bei der Umsetzung der Inklusion ist in beiden Ländern noch viel zu leisten. Diskutiert wird darüber hinaus auch in Österreich über die Schulqualität und die Durchlässigkeit im Schulsystem. Das System der frühen Auslese bestärkt laut Gruber sowohl den Bonus als auch den Malus, den die Kinder in die Schule mitbringen. Der zu einem Referat geladene Universitätsprofessor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Konrad Paul Liessmann und Autor des Buches „Geisterstunde“ sieht die Schule als Zuteilungsapparat von Lebenschancen und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Bildung ein Grundrecht ist. Es handelt sich hierbei um kein Privileg, sondern ein Menschenrecht.

Wie in Deutschland so auch in Österreich wird auf eine vermehrte Einführung von guten Ganztagesschulen gedrängt. Über die Art und Weise wie so eine Schule aussehen könnte bestand ebenfalls Einigkeit. In einer guten Ganztagesschule haben die Kinder, sobald sie das Schulgelände verlassen haben, mit  allen täglichen schulischen Vorbereitungen und Aufgaben abgeschlossen. Womit gewährleistet ist, dass die freie Zeit auch für Freizeit genutzt und das Familienleben entspannt und unbelastet genossen werden kann. Einig ist man sich auch in der Bedeutung der Bildung im Hinblick auf die Vermittlung von sozialer Kompetenz und Bildung der Persönlichkeit.

Im Vorfeld zur Konferenz fand im Karl-Renner-Institut eine schulpolitische Tagung zum Thema „Bildung – Chancen – Gerechtigkeit – Werte, Ziele und Zukunftsperspektiven sozialdemokratischer Schulpolitik“ statt. Hierzu war Peter Höllrigl, Schulamtsleiter der Provinz Bozen, Südtirol eingeladen.  In Italien, so konnte er berichten, gibt es diese Diskussionen  schon lange nicht mehr. Dort ist die Gesamtschule bereits seit 1962 geprobter Alltag. Ein Schulsystem über einen so langen Zeitraum zu beobachten und zu sehen, dass es funktioniert müsste als Beispiel ausreichen, so seine Aussage zu den Diskussionen in Österreich und Deutschland. In Italien unterrichtet man seit Jahrzehnten jahrgangsgemischt, warum sollte das nicht auch anderswo funktionieren. Es gibt eine gemeinsame Beschulung bis zur achten Klasse, Inklusion ist seit 1977 eine Selbstverständlichkeit. Umso unverständlicher  wird es, wenn man bei den Verbesserungsversuchen an den Schulen nicht in das nahe gelegene Norditalien schaut.

Marion C. Winter (li.) mit der Bundesministerin für Frauen und Bildung der SPÖ
Die ebenfalls anwesende Vorsitzende der Aktion kritischer SchülerInnen, Christina Götschhofer,  beklagte die mangelhafte Einbeziehung der Schüler und Schülerinnen. Ihrer Meinung nach würden diejenigen, die es in erster Linie betrifft, zu wenig zu Rate gezogen. In ihrer aktuellen Erscheinung sieht sie die Schule als gutes Training für das Kurzzeitgedächtnis und stellt die Frage: „Was ist das für ein System in dem man in die Schule geht um für Noten und nicht um fürs Leben zu lernen“. Sie wünscht sich in diesem Zusammenhang mehr Vertrauen in die Schüler.


Abschließend wurde eine überwiegende Übereinstimmung der Probleme in der Bildungspolitik in Deutschland und Österreich und die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Reform in beiden Ländern festgestellt. Zukünftig sollten die Kontakte zwischen der Bildungsorganisation der SPÖ und der Arbeitsgemeinschaft für Bildung der SPD weiter ausgebaut werden, um sich gegenseitig mit Anregungen zu unterstützen.