Kugeln mit perfekten Kurven
Gunnar Schweizer aus Dießen gießt den filigranen
Weihnachtsschmuck als weltweit letzter mit der Hand
Erst die perfekten Rundungen machen echte
Schönheit aus. Denn die bis zu 20 frisch gegossenen, filigranen Teile einer
Weihnachtskugel in spe müssen einzeln gebogen und zusammengelötet werden. „Nur
wenn die Legierung des Zinns stimmt, klappt das. Ansonsten brechen die Teile
auseinander“ sagt Gunnar Schweizer, der mit der Zinngießerei Babette Schweizer
in Dießen am Ammersee die wohl weltweit letzte ihrer Art betreibt. Seine von
Hand gegossenen Christbaumkugeln zählen zur Königs-Disziplin des Handwerks und
zierten sogar schon die Weihnachtsbäume des bayerischen Adels. Und das ist
ausschließlich dem Geschäftssinn seiner Urahnen zu verdanken, die vor über 150
Jahren die zinnernen Zeichen der Zeit erkannten.
„Anfang des
20. Jahrhunderts verbrachten die Erzieher der königlichen Prinzen ihre
Sommerfrische gerne am Ammersee und freundeten sich mit meinen Vorfahren an“,
erzählt Gunnar Schweizer aus der von Generation zu Generation überlieferten
Firmen- und Familiengeschichte seiner Gießerei, die 1796 gegründet wurde und
die sich seit 1798 in dem historischen Haus an der Dießener Herrenstraße
befindet. Der Brauch, an Weihnachten Tannenbäume aufzustellen und diese mit Kugeln zu schmücken, hielt zu jener Zeit von Norden
her zaghaft Einzug in die höfische Gesellschaft und brachte die Schweizers auf
eine Idee: Christbaum-Kugeln aus Zinn mussten her. „Formen waren genug
vorhanden, weil wir ja schon welche als filigrane Halbkugeln für Hausaltäre und
auch als Theaterschmuck gossen“, sagt Schweizer. Gesagt, getan. Und so gingen
1850 die ersten Zinn-Kugeln in manuelle Produktion, die dann gleich
einen herrschaftlichen Baum krönten und noch heute zu den Bestsellern der
Schweizers zählen.
Ob
Brasilien, Japan oder die USA – die runde Rarität ziert die Weihnachtsbäume auf
der ganzen Welt. Schon oft wurde versucht, das Meisterstück, das bis zu 150
Euro pro Stück kostet, maschinell zu kopieren. Vergeblich. „Die Qualität
unserer Kugeln lässt sich nur durch Handarbeit erreichen“, weiß Schweizer zu
berichten. Je nachdem wie filigran das Stück werden soll, wählt er die
Konsistenz des Zinns. „Dabei verlasse ich mich auf mein Gefühl und natürlich auf
meine Erfahrung“, verrät der Zinn-Meister, der in seiner kleinen Werkstatt über
3000 Formen hortet. Viele davon sind uralt oder gehen auf eine seiner Tanten
zurück, die Bildhauerin war und zahlreiche Vorlagen schuf.
Weil die
Schweizers ihre Familiengeschichte in Ehre halten, ist in dem großen Haus noch
vieles wie im 18. Jahrhundert, als Urgroßmutter Babette den Betrieb leitete,
der seitdem ihren Namen trägt. Die Türen, der Boden, die Treppe – „alles noch original“, sagt Schweizer. Und auch
die Produktionsweise hat sich nicht geändert. „Nur der Lötkolben wird
mittlerweile nicht mehr mit Peißenberger Braunkohle, sondern aus der Steckdose
erhitzt“, erklärt er.
Text und Bild: gwt Starnberg GmbH