Mittwoch, 17. September 2014

Die Beziehung zwischen Bayern und Italien


Wie sagte schon Georg von Vollmar (1850-1922), erster Vorsitzender der bayerischen SPD: „Es kann doch nicht jeder Mensch ein Preuße sein“.

Ja, nee ist klar. Die Bayern sind gar keine Deutschen, sondern verhinderte Italiener und umgekehrt. Pasd scho. Je heißer die Sonne tagsüber auf den Denkapparat brennt umso drastischer werden die Aussetzer am Abend. Aber so abwegig ist der Gedanke gar nicht. Der Beziehung zwischen Bayern und Italien widmete sich 2010 sogar die Bayerische Landesausstellung. 

Was tat sich denn im Bayernland, als es noch gar keine Bayern gab. Nun 8000 vor Christus gab die Eiszeit das Gebiet für die umherziehenden Völker frei, 4000 Jahre später begann man mit der Besiedelung. Diese Ur-Bayern von Kelten schließlich bewiesen schon damals die typisch bayerische Fähigkeit, das was nicht zu ändern ist, geduldig über sich ergehen zu lassen. Und mit allem Neuem und Fremden fertig zu werden, auch wenn es ungefragt über sie hereinbricht.

Ausrotten lassen sich die Bayern ohnehin nicht und so vermischte man sich im Zuge der Romanisierung mit den um 15 v. Chr. einfallenden Römern. Fast ein halbes Jahrtausend hatten sie Zeit Einfluss und Charaktermerkmale anzunehmen. Um 900 reichte Bayern dann sogar bis an die Adria, wie ewig Gestrige gerne betonen. Und erst unter den Karolingern, Luitpoldingern, Sachsen und Welfen machte sich eine Tradition des vermeintlich rechten Glaubens einhergehend mit dem Misstrauen allem Neuen gegenüber breit.

Italienische Künstler sorgten dafür, dass sich die Italiener in Bayern und die Bayern in Norditalien fast wie zu Hause fühlen. Passau bezeichnet man als das Venedig des Nordens, München als die nördlichste Stadt Italiens. Der bayerische Löwe sieht dem venezianischen verblüffend ähnlich und um 1700 kreiste sogar die „Buccentauro“ auf dem Starnberger See, ein Schiff prächtiger als sein venezianisches Vorbild.  

Ist es da ein Wunder, wenn sich der Bayer nicht als Deutscher fühlt. Eben weil es uns auch an preußischen Obrigkeitshörigkeit fehlt. Zwar möchte man angesichts unserer Treue zur Regierung etwas anderes vermuten. Aber das ist eine ganz symptomatische Art von Bewunderung. Es handelt sich dabei vielmehr um das bekannte „Hund sans scho“. Eine Art Anerkennung für findiges Handeln, aber nicht etwa weil es dem Gesetz entspräche. Sondern ganz im Gegenteil. Eben gerade weil es geschickt bestehende Gesetze umgeht. Die Italiener stehen uns da in nichts nach.

Folgendes Beispiel zeigt deutlich die Abweichung in der Staatsauffassung zwischen München und Berlin. Das  bayerische Verhältnis zur Obrigkeit war immer schon ein freundschaftliches, weniger ein unterwürfiges. Während im November 1918 auf der Theresienwiese in München die Revolution ausbrach, spazierte der letzte bayerische König Ludwig III., liebevoll auch „Millibuberl“ genannt, nichtsahnend im Englischen Garten herum. Worauf ihm ein Untertan wohlwollend zurief: „Majestät, gengans hoam sonst passiert eana was“.

Die italienische „Freunderlwirtschaft“ hat ihr Synonym in der bayerischen „Spezlwirtschaft“ (abgeleitet aus dem lateinischen Wort species) und gipfelte 1993 im Bestechungsskandal um den bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl in der so genannten  Amigo-Affäre - abgeleitet aus dem italienischen Wort Amigo für Freund. Bayern ist das älteste Bundesland und darüber hinaus ein Freistaat. Und die Italiener – tja, die haben ja sowieso auch ihren Staat im Staat.

Einzig und allein die Hierarchie der katholischen Kirche besitzt eine unausgesprochene Allmacht. Römisches Christentum war von Anfang an Reichsreligion in Bayern, auch wenn es bis heute noch nicht ganz gelungen ist gegen den vorherrschenden heidnischen Aberglauben anzugehen. In Bayern hat jedes Dorf seine Kirche und sein Wirtshaus, in Italien ist das nicht anders.

Eine italienische Piazza oder der Odeonsplatz in München?

Wahrlich - der Genuss von Wein oder Bier unterscheidet uns. Wobei dazu zu sagen ist, dass die Bayern ursprünglich auch mehr dem Wein zugeneigt waren. Es handelt sich hier wiederum um eine aufgezwungene Maßnahme, die wir ein weiteres Mal geduldig über uns haben ergehen lassen. Schlecht ist das Bier ja auch nicht. So beschreibt Johannes Aventinus in seiner Bayerischen Chronik 1566 die Sitten der Bayern folgendermaßen: „er ist frei, dient seinem Herrn, der sonst keine Gewalt über ihn hat, tut was er will, trinkt Wein und läuft gerne wallfahren“.

In Italien fuchtelt man ständig mit den Händen. Und wenn man genau hinschaut machen wir Bayern das auch. Beim Reden, beim Schuhplatteln, beim Goaßlschnalzn und sogar beim Maßkrugstemmen. Hand aufs Herz – erkennen wir da nicht ganz eindeutig die Seelenverwandtschaft zwischen den Südländern und den Süddeutschen.

Wahre Freunde kann niemand trennen, nicht einmal die Alpen
Darüber hinaus bestehen seit über 2000 Jahren enge Verbindungen zwischen Bayern und Italien. Nicht nur durch die geografische Nähe, sondern auch durch den steten kulturellen Austausch untereinander. Norditalien liegt uns also nicht nur mental näher. Berlin ist uns ferner als Verona, Venedig oder auch der Gardasee. Wir Bayern sind die Maut gewohnt - jedesmal wenn wir gen Süden fahren. Da ist es doch auch kein Wunder, dass gerade ein Bayer auf die glorreiche Idee gekommen ist sie auch bei uns einzuführen.

Und außerdem – jedes Jahr – wenn die Preußen weg sind, dann fällt eine Art bayerische Invasion am Mittelmeer ein. Die Adriaküste wird von den Bayern annektiert. Was sich im Verlauf weniger Wochen während des Oktoberfestes umkehrt und gleichzeitig beweist, dass die Italiener nicht minder gerne Bier trinken wie die Bayern.

Und noch ein Merkmal haben wir gemeinsam. Es ist dieses was uns gerne den Ruf als träge einbringt, das va bene oder wird scho werdn. Dieser Hauch von Desorientiertheit und Ziellosigkeit. Die königlich bayerische Gemütlichkeit als Pendant zum italienischen Lifestyle des Genießens immer und überall.


Wer jetzt allerdings auf die Idee kommen mag, dieses Sammelsurium entstünde aus dem Wunsch der Gründung einer Alpenrepublik aus Altbayern, Österreich, Italien und der Schweiz hat weit gefehlt. Es ist vielmehr der verzweifelte Versuch einer Erklärung, weshalb der Bayer manchmal ganz was anderes meint als der werte Preuße versteht. Und die Frage nach der Identität mit der abschließenden Kernaussage: Mia san halt mia.