„Für eine gesunde Entwicklung brauchen Kinder
eine gute Bindung und feinfühlige Pädagogen. Denn die emotionale Entwicklung
eines Babys oder Kleinkindes beeinflusst die kognitive Entwicklung stark.“
v.l.n.r. Dr. Susanne Kristen, Marion C. Winter und MdL Doris Rauscher |
Im Rahmen
der Vorstandsitzung der Arbeitsgemeinschaft für Bildung Bayern (AfB) referierte
Dr. Susanne Kristen über die Implikationen der Kleinkindforschung für die frühe
Bildung. Dr. Susanne Kristen ist im Forschungsbereich frühkindliche Bildung an
der LMU München tätig. Nach neuesten Studien beeinflussen sowohl emotionale,
als auch kognitive Faktoren die kognitive Entwicklung eines Babys oder
Kleinkindes. Dachte man einst eher, die Entfaltung emotionaler und kognitiver
Kompetenzen würde eher parallel nebeneinander herlaufen, weiß man heute, dass
für eine positive geistige Entwicklung des Kleinkindes beide Faktoren eine
gleichbedeutende Rolle spielen. Das Kind körperlich zu versorgen und alleine
mit intellektueller Tätigkeit anzuregen reicht demnach nicht aus. Das Kind muss
auch im emotionalen Sinne in die Aktionen mit eingebunden werden.
Eine
bedeutende Rolle spielt die Mutter-Kind-Aktion bis zu einem Alter von etwa drei
Jahren. Mütterliche Verhaltensweisen wie Reaktionen auf die Gestik und Mimik
fließen letztendlich in die kognitiven Fähigkeiten der Kinder (z.B. die
Fähigkeit Verhaltensziele zu erkennen) ein. Darüber hinaus vollzieht sich die
Entwicklung des Kindes in so genannten Zonen der Entwicklung. Sobald ein Kind
von einer Zone in die nächste gelangt, muss dies erkannt und das Kind behutsam,
also weder unter- noch überfordernd, in die nächste Zone begleitet werden. All
diese Fakten wie Reaktionen auf die Gestik und Mimik fließen letztendlich in
die kognitiven Fähigkeiten ein. Darüber hinaus vollzieht sich die Entwicklung
des Kindes in so genannten Zeitfenstern. Sobald ein Kind in die nächste Phase
eintritt, muss dies erkannt und behutsam in die nächste Stufe begleitet werden.
Dieser Bezug
zum inneren Wesen des Kindes kommt bereits im Mutterleib zustande und
entwickelt sich nach der Geburt weiter. Natürlich sollte auch hier der goldene
Mittelweg gewählt werden. Ein Kind in seiner Entwicklung sich selbst zu
überlassen ist eben so wenig dienlich, wie es permanent in den Mittelpunkt zu
rücken. Für eine insgesamt positive Entwicklung des Kindes ist es also nichts
desto trotz zwingend notwendig, die Signale des Kindes richtig zu erkennen und
zu reagieren. Wie bindet sich nun ein Kind an die Bezugsperson?
Die
Vor-Phase der Bindung entsteht in den ersten sechs Lebenswochen, welcher eine
ausgeprägte Phase der Bindung bis ins Alter von 6-8 Monaten folgt. Die Phase
der entstehenden Bindung liegt im Zeitraum von 1 ½ Jahren bis 2 Jahren. Ihr
folgt die Phase reziproker Bindung im Alter von 1,5 bis 2 Jahren. Betrachtet
man diese Daten, so muss man feststellen, dass der Zeitpunkt für einen Wechsel
der Bezugsperson in diesen Phasen nicht ideal ist. Er entspricht allerdings
genau dem Zeitraum, in dem die Kinder momentan den elterlichen Rahmen
verlassen. Kinder können zu verschiedenen Bezugspersonen Beziehungen
entwickeln, wenn der notwendige Rahmen gegeben ist. In jedem Fall aber kann
diese Umstellung der Kinder in den Kindertageseinrichtungen nur mit ausreichend
Personal bewerkstelligt werden.
Im Hinblick
darauf, muss man leider davon ausgehen, dass die Grundbedingungen in den KiTas
angesichts des Betreuungsschlüssels, den wir im Moment haben, nicht
gewährleistet sein können. Im Hinblick auf Gruppen von 25 Kindern mit einer
Erzieherin und einer Kinderpflegerin (diese Zahlen beziehen sich auf
Kindergartengruppen.), ist es diesen schwer möglich individuell auf das Kind
einzugehen. Wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Kindes gehen somit
verloren.
In diesem
Zusammenhang berichtete Doris Rauscher MdL vom Antragspaket zur frühkindlichen
Bildung der SPD-Landtagsfraktion. Beruflich kommt sie aus dem pädagogischen
Bereich und sieht den Betreuungsschlüssel ebenfalls als höchst bedenklich. Die
von ihr eingebrachten Anträge zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung und
der Rahmenbedingungen in bayerischen Kindertageseinrichtungen, wurden bisher überwiegend
mangels finanzieller Mittel von der Mehrheitsfraktion im bayerischen
Landtag abgelehnt. Wünschenswert wäre in
ihren Augen auch der Ausbau multiprofessioneller Teams, die vor allem im Sinne
der Inklusion in die pädagogische Arbeit mit eingebunden werden. Sie können
entwicklungsunterstützend wichtige Impulse geben. Des Weiteren besteht in
diesem so wichtigen Bereich akuter Fachkräftemangel. Was angesichts einer
fünfjährigen Ausbildung und dem ausgesprochen niedrigem Gehalt im Anschluss
nicht verwunderlich ist. In diesem Zusammenhang wies Rauscher auf das
Baden-Württembergische Modell hin, in dem eine Ausbildungsvergütung eigeführt
wurde. Die bisher beobachtete Entwicklung in Baden-Württemberg ist durchwegs
positiv. Aus diesem Grund hat die SPD-Fraktion Mitte 2014 bereits erfolgreich
einen Antrag in den Bayerischen Landtag eingebracht, der eine Weiterentwicklung
der derzeitigen Ausbildungsstruktur in Bayern nach Vorbild der praxisintegrierten
Erzieherausbildung fordert. Aufbauend auf diesem Antrag entwickelte das
Kultusministerium erste Modellstrukturen, die voraussichtlich ab dem Schuljahr
2016/17 in die Erprobung gehen sollen. Rauscher sieht die SPD in der wichtigen
Rolle, die Themen rund um die frühkindliche Bildung auf Landesebene
voranzutreiben und hofft, dass durch stetiges Bemühen auf lange Sicht Positives
erreicht werden kann.
Abschließend
konnte festgestellt werden, dass ein steter Austausch zwischen der Wissenschaft
und der Praxis stärker als bisher erfolgt, zwingend notwendig ist.
Wichtig ist
auch eine Verbesserung des Stellenwerts von Erzieherinnen und Erziehern in der
Gesellschaft. Tendenziell erfahren Berufe mit Kindern ein nicht sehr hohes
Ansehen. „Insgesamt ist hierbei ein Umdenken notwendig. Denn in Kitas wird
wichtige Bildungsarbeit geleistet und das Fundament für eine gelingende
Entwicklung und schulischen und beruflichen Erfolg gelegt“ so Rauscher. „Die
Politik ist dazu da, den nötigen Rahmen zu schaffen und Eltern eine wirkliche
Wahlfreiheit zu ermöglichen.“
Die
Entscheidung, ob eine Mutter beim Kind zu Hause bleiben will, oder lieber
frühzeitig in den Beruf wiedereinsteigt, sollte ohne Wertung von außen möglich
sein und von Eltern frei und mit gutem Gewissen getroffen werden können.
Den
gemachten Fehlern entgegenzuwirken ist also nicht der richtige Ansatz. Auch in
diesem Bereich spielt Prävention eine tragende Rolle, wir müssen bei den
Jüngsten richtig beginnen und können nicht länger hinnehmen, dass unsere Jugend
als Versuchskaninchen dient. Eine Einsparung gerade in diesem so
bedeutungsvollen Bereich wirft die Frage auf, ob wir uns eine Generation
psychisch kranker Jugendlicher heranziehen. Unsere Kinder sind die Basis für
unsere Zukunft und die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft und sollten
dementsprechend gefördert werden.