Donnerstag, 26. März 2015

Frühkindliche Bildung braucht bessere Rahmenbedingungen!




 „Für eine gesunde Entwicklung brauchen Kinder eine gute Bindung und feinfühlige Pädagogen. Denn die emotionale Entwicklung eines Babys oder Kleinkindes beeinflusst die kognitive Entwicklung stark.“

v.l.n.r. Dr. Susanne Kristen, Marion C. Winter und MdL Doris Rauscher

Im Rahmen der Vorstandsitzung der Arbeitsgemeinschaft für Bildung Bayern (AfB) referierte Dr. Susanne Kristen über die Implikationen der Kleinkindforschung für die frühe Bildung. Dr. Susanne Kristen ist im Forschungsbereich frühkindliche Bildung an der LMU München tätig. Nach neuesten Studien beeinflussen sowohl emotionale, als auch kognitive Faktoren die kognitive Entwicklung eines Babys oder Kleinkindes. Dachte man einst eher, die Entfaltung emotionaler und kognitiver Kompetenzen würde eher parallel nebeneinander herlaufen, weiß man heute, dass für eine positive geistige Entwicklung des Kleinkindes beide Faktoren eine gleichbedeutende Rolle spielen. Das Kind körperlich zu versorgen und alleine mit intellektueller Tätigkeit anzuregen reicht demnach nicht aus. Das Kind muss auch im emotionalen Sinne in die Aktionen mit eingebunden werden.

Eine bedeutende Rolle spielt die Mutter-Kind-Aktion bis zu einem Alter von etwa drei Jahren. Mütterliche Verhaltensweisen wie Reaktionen auf die Gestik und Mimik fließen letztendlich in die kognitiven Fähigkeiten der Kinder (z.B. die Fähigkeit Verhaltensziele zu erkennen) ein. Darüber hinaus vollzieht sich die Entwicklung des Kindes in so genannten Zonen der Entwicklung. Sobald ein Kind von einer Zone in die nächste gelangt, muss dies erkannt und das Kind behutsam, also weder unter- noch überfordernd, in die nächste Zone begleitet werden. All diese Fakten wie Reaktionen auf die Gestik und Mimik fließen letztendlich in die kognitiven Fähigkeiten ein. Darüber hinaus vollzieht sich die Entwicklung des Kindes in so genannten Zeitfenstern. Sobald ein Kind in die nächste Phase eintritt, muss dies erkannt und behutsam in die nächste Stufe begleitet werden.

Dieser Bezug zum inneren Wesen des Kindes kommt bereits im Mutterleib zustande und entwickelt sich nach der Geburt weiter. Natürlich sollte auch hier der goldene Mittelweg gewählt werden. Ein Kind in seiner Entwicklung sich selbst zu überlassen ist eben so wenig dienlich, wie es permanent in den Mittelpunkt zu rücken. Für eine insgesamt positive Entwicklung des Kindes ist es also nichts desto trotz zwingend notwendig, die Signale des Kindes richtig zu erkennen und zu reagieren. Wie bindet sich nun ein Kind an die Bezugsperson?

Die Vor-Phase der Bindung entsteht in den ersten sechs Lebenswochen, welcher eine ausgeprägte Phase der Bindung bis ins Alter von 6-8 Monaten folgt. Die Phase der entstehenden Bindung liegt im Zeitraum von 1 ½ Jahren bis 2 Jahren. Ihr folgt die Phase reziproker Bindung im Alter von 1,5 bis 2 Jahren. Betrachtet man diese Daten, so muss man feststellen, dass der Zeitpunkt für einen Wechsel der Bezugsperson in diesen Phasen nicht ideal ist. Er entspricht allerdings genau dem Zeitraum, in dem die Kinder momentan den elterlichen Rahmen verlassen. Kinder können zu verschiedenen Bezugspersonen Beziehungen entwickeln, wenn der notwendige Rahmen gegeben ist. In jedem Fall aber kann diese Umstellung der Kinder in den Kindertageseinrichtungen nur mit ausreichend Personal bewerkstelligt werden.

Im Hinblick darauf, muss man leider davon ausgehen, dass die Grundbedingungen in den KiTas angesichts des Betreuungsschlüssels, den wir im Moment haben, nicht gewährleistet sein können. Im Hinblick auf Gruppen von 25 Kindern mit einer Erzieherin und einer Kinderpflegerin (diese Zahlen beziehen sich auf Kindergartengruppen.), ist es diesen schwer möglich individuell auf das Kind einzugehen. Wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Kindes gehen somit verloren.

In diesem Zusammenhang berichtete Doris Rauscher MdL vom Antragspaket zur frühkindlichen Bildung der SPD-Landtagsfraktion. Beruflich kommt sie aus dem pädagogischen Bereich und sieht den Betreuungsschlüssel ebenfalls als höchst bedenklich. Die von ihr eingebrachten Anträge zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung und der Rahmenbedingungen in bayerischen Kindertageseinrichtungen, wurden bisher überwiegend mangels finanzieller Mittel von der Mehrheitsfraktion im bayerischen Landtag  abgelehnt. Wünschenswert wäre in ihren Augen auch der Ausbau multiprofessioneller Teams, die vor allem im Sinne der Inklusion in die pädagogische Arbeit mit eingebunden werden. Sie können entwicklungsunterstützend wichtige Impulse geben. Des Weiteren besteht in diesem so wichtigen Bereich akuter Fachkräftemangel. Was angesichts einer fünfjährigen Ausbildung und dem ausgesprochen niedrigem Gehalt im Anschluss nicht verwunderlich ist. In diesem Zusammenhang wies Rauscher auf das Baden-Württembergische Modell hin, in dem eine Ausbildungsvergütung eigeführt wurde. Die bisher beobachtete Entwicklung in Baden-Württemberg ist durchwegs positiv. Aus diesem Grund hat die SPD-Fraktion Mitte 2014 bereits erfolgreich einen Antrag in den Bayerischen Landtag eingebracht, der eine Weiterentwicklung der derzeitigen Ausbildungsstruktur in Bayern nach Vorbild der praxisintegrierten Erzieherausbildung fordert. Aufbauend auf diesem Antrag entwickelte das Kultusministerium erste Modellstrukturen, die voraussichtlich ab dem Schuljahr 2016/17 in die Erprobung gehen sollen. Rauscher sieht die SPD in der wichtigen Rolle, die Themen rund um die frühkindliche Bildung auf Landesebene voranzutreiben und hofft, dass durch stetiges Bemühen auf lange Sicht Positives erreicht werden kann.
Abschließend konnte festgestellt werden, dass ein steter Austausch zwischen der Wissenschaft und der Praxis stärker als bisher erfolgt, zwingend notwendig ist.

Wichtig ist auch eine Verbesserung des Stellenwerts von Erzieherinnen und Erziehern in der Gesellschaft. Tendenziell erfahren Berufe mit Kindern ein nicht sehr hohes Ansehen. „Insgesamt ist hierbei ein Umdenken notwendig. Denn in Kitas wird wichtige Bildungsarbeit geleistet und das Fundament für eine gelingende Entwicklung und schulischen und beruflichen Erfolg gelegt“ so Rauscher. „Die Politik ist dazu da, den nötigen Rahmen zu schaffen und Eltern eine wirkliche Wahlfreiheit zu ermöglichen.“
Die Entscheidung, ob eine Mutter beim Kind zu Hause bleiben will, oder lieber frühzeitig in den Beruf wiedereinsteigt, sollte ohne Wertung von außen möglich sein und von Eltern frei und mit gutem Gewissen getroffen werden können.

Den gemachten Fehlern entgegenzuwirken ist also nicht der richtige Ansatz. Auch in diesem Bereich spielt Prävention eine tragende Rolle, wir müssen bei den Jüngsten richtig beginnen und können nicht länger hinnehmen, dass unsere Jugend als Versuchskaninchen dient. Eine Einsparung gerade in diesem so bedeutungsvollen Bereich wirft die Frage auf, ob wir uns eine Generation psychisch kranker Jugendlicher heranziehen. Unsere Kinder sind die Basis für unsere Zukunft und die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft und sollten dementsprechend gefördert werden.