Den Bayern sagt man gerne nach, dass sie eher ein
behäbiges Volk sind, die sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen.
Geduldig lassen sie alles über sich ergehen, solange man nicht versucht am
Grundnahrungsmittel, dem Bier, zu rütteln. Allerdings können sie tatsächlich
auch ziemlich „granteln“. Wie jedes Jahr am Politischen Aschermittwoch, dem
größten Stammtisch der Republik, eindrucksvoll bewiesen wird.
Der findet alljährlich für die bayerische CSU in Passau,
für die SPD in Vilshofen und für die Grünen sowie die ÖDP in der
niederbayerischen Hauptstadt Landshut statt. Oft sorgen die Politiker der
Parteien für Lacher, aber es kann auch ganz schön laut werden, wenn die
Parteien ihre deftigen Kampfansagen an die gegnerischen Parteien in den Raum
schleudern. Der Politische Aschermittwoch ist eine lustig-aggressive Mischung
aus Polemik und Unterhaltung und wird ganz besonders in Bayern gepflegt. Hier
ist er auch entstanden.
Historisch begründet sich der Politische Aschermittwoch
in einer ersten Kundgebung des Bayerischen Brauerbundes im Jahr 1919 in
Vilshofen. Die kleine Stadt in Niederbayern wurde derzeit auserkoren, weil es
dort bereits im 16. Jahrhundert anlässlich des stattfindenden Viehmarktes am
Aschermittwoch zu politischen Reden kam. Unter dem Bayerischen
Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, einem Meister der Rhetorik, erlebte der
Politische Aschermittwoch einen regelrechten Boom. Franz Josef Strauß
verkörperte in gewisser Weise den Urbayern und wird bis heute noch gerne von
seiner Partei, der CSU, zitiert. Diverse Spiegel-Affären und Amigo-Wirtschaften
verleugnete er schlichtweg. Bereits einige Jahre nach seinem Sturz stand er auf
wie Phönix aus der Asche und setzte seine Karriere als Finanzminister fort. Die
Kanzlerkandidatur verlor er jedoch gegen Helmut Schmidt von der SPD. Franz
Josef starb 1988, ist aber bis heute eine der bekanntesten Persönlichkeiten der
Nachkriegszeit und Namensgeber des Flughafens München-Erding. Mit Strauß
avancierte der Politische Aschermittwoch im Jahr 1953 zu einem bundesweiten
Medienereignis.
Mittlerweile werden von den Parteien Busse angemietet,
um die zahlreichen Teilnehmer zum Ort des Geschehens zu transportieren. Da
sitzen sie dann feucht-fröhlich in Bierzelten, Festsälen sowie Wirtshäusern und
lauschen gebannt den Worten der bayerischen Parteispitzen. Wie diese über die
Konkurrenz wettern, selbstverständlich alles besser machen würden und sich
selbst aufs Podest heben. Dabei befinden sich die Reden auf einem schmalen Grat
zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit.