Bildung inkludiert Inklusion und umgekehrt
Im Eine-Welt-Haus in München trafen sich Vertreter der
Arbeitsgemeinschaft für Bildung und Selbst Aktiv, um gemeinsame Themen im
Hinblick auf das Recht auf Bildung und die
Rechte der Behinderten in unserer Gesellschaft zu besprechen. Schwerpunkte beider
Interessengruppen liegen im Thema Inklusion. Ziel des Treffens war es Vorschläge
zu erarbeiten, welche im Landesparteitag als Erweiterung zum Wahlprogramm eingebracht
werden können. Fakt ist, dass Inklusion als Menschenrecht von der EU
vorgeschrieben wird, aber längst in der Realität nicht umgesetzt wurde. Seit
2009 gilt die UN-Behindertenrechtskonvention welche bestimmt, dass jegliche
Diskriminierung aufgrund einer Behinderung ausgeschlossen werden muss. Dies
bedeutet: Wir „müssen“ die gesetzlichen und gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen schaffen, um allen Menschen die gleichen Chancen für die
Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Geführt werden muss ergo eine
Diskussion um das „Wie“, nicht um das „Ob“.
Für ein Impuls-Referat konnte Frau Monika Eder, seit
2002 Rektorin der Grundschule am grünen Markt in Erding, gewonnen werden. Sie
sieht ihre „Inklusionsschule“ als großes Team und glaubt fest daran, dass eine
Schule nur dann gut ist, wenn eine gutes, offenes und angstfreies Schulklima
herrscht. Als Schulleiter meint sie, darf man es nicht nur zulassen, dass sich
etwas verändert, sondern man muss auch Motor sein. So gefällt ihr der Begriff
Inklusion, da er bedeutet zu überlegen, was können wir für die Behinderten tun.
Während Integration heißt, Du musst Dich anpassen.
Inklusion macht es notwendig für die Schulen, sich ein
Netzwerk zu schaffen, mit Eltern zu kooperieren sowie aber auch mit
Förderzentren, ehrenamtlichen Helfern und Praktikanten. Die Kinder lernen, dass
es normal ist, anders zu sein. Verhaltensauffällige Kinder verlieren ihr
Alleinstellungsmerkmal und passen sich in der Gruppe an, in der ohnehin jeder
anders ist. Für Kinder einer Lern- oder anderen Behinderung ist eine gewisse
Kreativität erforderlich, aber auch sie können in dieser Schule am normalen Unterricht
teilnehmen. Mit Hilfe des mobilen Dienstes können auch vier autistische Kinder
in der Schule am Grünen Markt erfolgreich in den Unterreicht eingebunden werden.
Für extrem behinderte Kinder allerdings meint Eder, ist die Erhaltung der
Förderschulen notwendig.
Inklusion ist für sie keine Technik, sondern eine
Geisteshaltung die gelebt werden muss. Dabei geht es darum, nicht zu suchen wo
ist Dein Defizit, sondern was sind Deine Stärken. Vor zehn Jahren hat sie in
ihrer Schule in kleinen Schritten damit angefangen und bemerkt, dass sich die
Atmosphäre seitdem merklich verbessert hat. Sie ist der Meinung, dass jede
Schule sonderpädagogische Leistungen erbringen muss. Eine inklusive Schule ist in
ihren Augen auch eine Einrichtung, die alle willkommen heißt und in der die
Erziehung und Bildungsaufgabe Vorrang hat vor der Selektion. Es gibt eine hohe
Anzahl von so genannten behinderten Kindern, die durchaus in der Lage sind
einen normalen Schulalltag zu absolvieren. Gerade im Rahmen der Globalisierung hat
die Schule die Aufgabe, Kinder zu eigenverantwortlichen Menschen zu erziehen.
Teamdenken ist dabei eine große Herausforderung. Besonders im Hinblick auf die
Inklusion wäre nach Meinung von Monika Eder die Gemeinschaftsschule die beste
Voraussetzung. Ihr Aufruf an die Politiker aller Parteien ist: Vergesst die
Kinder in unserer Gesellschaft nicht“.
Aus der Sicht einer Sehbehinderten beschrieb
schließlich Sibylle Brandt, Landesvorsitzende der AG Selbst Aktiv, Inklusion
als eine der höchsten gesellschaftlichen Aufgaben und fügt hinzu, dass dennoch
Behindertenpolitik die letzten Jahre fast überhaupt nicht stattgefunden hat. Und
das bei 15 Millionen behinderter Menschen allein in Deutschland.
Erweiternd zur Inklusion in den Schulen müssen
Behinderte Menschen auch im Alltag mit einbezogen werden. Und darüber hinaus auch
im Berufsleben und in der beruflichen Aus-
und Weiterbildung ihren festen Platz haben. Außerdem brauchen wir Ausbildungsplätze
oder Umschulungsmaßnahmen auch für Menschen, welche während der beruflichen
Karriere behindert werden. Dafür benötigt es Aufklärungsarbeit. Die Mitarbeiter
der Arbeitsämter müssen in die Firmen gehen und die Arbeitgeber motivieren,
Behinderte einzustellen. Darüber hinaus müssten die Prüfungsbedingungen an die
Behinderten angepasst werden. Anschließend schilderten einige der anwesenden behinderten
Teilnehmer ihre Schwierigkeiten im alltäglichen Leben.
Zusammenfassend konnte man feststellen, dass die
Barriere Freiheit in den Köpfen der Menschen manifestiert werden muss. Dies
geht am besten, wenn bereits in jungen Jahren damit begonnen wird. Es muss als
normal gelten, wenn jemand anders ist.
In der anschließenden Diskussionsrunde kam man zu dem
Entschluss, dass es eigentlich keine neuen Gesetze geben müsste. Die bereits
vorhandenen dürfen einfach nicht ignoriert und müssen auf einen gemeinsamen
Nenner gebracht werden. Neben dem Blick auf die Schulen muss auch das spätere Erwerbsleben
in den Mittelpunkt rücken, Nischenberufe
genutzt und eine individuelle Ausbildung gewährleistet sein. Auch einem
Behinderten muss es möglich sein, am normalen Arbeitsalltag teilzunehmen. Was
fehlt sind Fachkräfte, welche sich damit befassen wie man Behinderte ins
Arbeitsleben bringen kann und die Information in die Firmen tragen.
Die Arbeitgeber sollten ihr Augenmerk darauf richten,
was der entsprechende Behinderte kann und wo man ihn einsetzen könnte. Nicht
darauf, was er nicht kann. Selbst wenn er nicht in der Lage ist, einen
regulären Arbeitstag durchzustehen, so gäbe es doch Möglichkeiten eine den Anforderungen
und Gegebenheiten entsprechende Arbeit zu verrichten.
Gerade durch die Inklusion entstehen hier sehr viele
Beschäftigungsmöglichkeiten für Behinderte. Da diese Menschen mehr
Einfühlungsvermögen mitbringen als vollkommen gesunde Menschen, könnten sie
besonders auch zum Beispiel in Altersheimen eingesetzt werden. Gerade hier wären
sie eine große Bereicherung für die Gesellschaft.
All diese Maßnahmen müssten von der Politik angeordnet
und die Informationen in einem inklusiven Kompetenzzentrum gebündelt und von
dort aus weitergeleitet werden. Wobei
besonders darauf geachtet werden sollte, dass die Anträge schnell und mit Blick
auf die Individualität bearbeitet werden und die Mitarbeiter gut geschult und
mit allen Möglichkeiten vertraut sind.
Ein weiterer wichtiger Punkt wäre auch die
selbstbestimmte Teilhabe am Alltag. Um behinderte Menschen in die Gesellschaft
einzubinden, ist auch die Vorbereitung der Umgebung, der Gebäude, Straßen und
Einrichtungen notwendig. Damit der Weg zur Arbeit zugänglich ist, muss die Mobilität
gesichert werden.
Es kann nicht länger sein, dass wir Behinderte Menschen
verstecken und von der Teilnahme an der Gesellschaft durch vielerlei Barrieren hindern.
Es kann jeden treffen – ganz plötzlich. Und wer würde sich dann nicht wünschen
im Bereich des Möglichen sein Leben so weiterzuführen wie bisher.