Der Flinserlzug findet alljährlich am Faschingdienstag um 14 Uhr statt. Vom Gasthof „Blaue Traube“ ausgehend begibt sich der spektakuläre Tross durch die Ortsmitte hin zum Kurhausplatz. Wie in vielen Brauchtumsveranstaltungen anlässlich des Faschings geht es auch hier darum, den Winter endgültig zu vertreiben. Im Gegensatz zu anderen Regionen, in denen dies durch möglichst wilde, Furcht erregende Gestalten geschieht, sind die Flinserl sehr freundliche Winteraustreiber.
Die Lichtboten des Frühlings tragen kunstvolle Kleider, aus Naturleinen gefertigt. Diese sind reich mit kleinen Flicken bestickt und über und über mit Silberpailetten benäht. Hunderte von kleinen Ornamenten in Form von Rauten und Formen summieren sich zu einem kunstvollen Kostüm. Dazu gehört eine phantasievolle Gesichtsmaske und ein Spitzhut, der nicht weniger liebevoll verarbeitet wurde. Für die Herstellung so eines Kostüms benötigt man bei ca. einer Stunde täglich allerdings zwischen ein und eineinhalb Jahren Arbeitszeit.
Außerordentlich kleidsam so ein Flinserl, nicht wahr. Also „kurz“ mal eben 400 Arbeitsstunden investiert und ab nach Bad Aussee, am Marsch der Flinserl teilnehmen. Ganz so einfach geht es nicht. Strengen Auflagen muss sich derjenige unterziehen, der sich selbst in so einem Gewand die Straße hinaufspazieren sehen will. Unter dem Jubel und der Bewunderung der umstehenden Zuschauer. Wer dabei sein möchte, muss schon lange vorgebaut haben. Da das Hauptaugenmerk auf gelebtes Brauchtum gerichtet ist, dürfen sich am Flinserlmarsch nur Ausseer beteiligen, die mindestens in der 3. Generation hier ansässig sind und außerdem ihrer Beschäftigung in Bad Aussee nachgehen. Das begrenzt die Anzahl der aktiven Teilnehmer dann auf ca. 25 bis 30 Familien. Wer dabei sein darf, beschließt ein Ausschuss von 6 Personen. Es gibt männliche und weibliche Flinserl, aber -Verfechter der Frauenquote aufgepasst – das Oberflinserl ist immer eine Frau.
Dafür verbergen sich hinter den Kostümen der so genannten Trommelweiber dann eben wieder Männer. Diese lassen sich, sicher nur anlässlich des Faschings, in überdimensionale Damennachtwäsche stecken. Dabei handelt es sich nicht etwa um Dessous, sondern um alte Nachtkleider früherer Jahrhunderte. Zum einen vertreiben die mitgeführten lauten Trommeln und anderen Musikinstrumente ebenfalls den Winter. Zum anderen sollen die Trommelweiber eine Anspielung auf die vielen Frauen sein, die das nächtens ihre Männer aus den Wirtshäusern nach Hause holen müssen. Die Trommelweiber beginnen ihr Treiben bereits am Faschingsmontag, um dann am Faschingsdienstag zum zweiten Mal aufzutreten.
Aber auch die Öffentlichkeit und vor allem die Obrigkeit bleiben am Faschingsdienstag nicht verschont, Musik und Gesangsgruppen ziehen von Wirtshaus zu Wirtshaus und verlesen ihre Faschingsbriefe. Um lautstark die kleinen oder großen Sünden der Bad Ausseer in Form von Liedern und Reimen ans Licht zu bringen. Wehe dem, der sich das Jahr über nicht „anständig“ verhalten hat.
Kein Wunder, dass bei diesem hohen Stellenwert des Umzuges alle sehnlich auf den Faschingsdienstag warten. Und selbstredend wird an so einem Tag in Bad Aussee nicht gearbeitet. Dennoch - ohne Fleiß kein Preis. Wenn der Zug sich langsam auflöst, betteln die Kinder des Ortes bei den Flinserln um kleine Gaben. Erst nachdem die Kinder ihre traditionellen Flinserlsprüche, derbe Vierzeiler aufgesagt haben, werden sie mit Nüssen, Früchten und Süßigkeiten belohnt. Für die Erwachsenen gilt Finger weg von den Köstlichkeiten – dem Zacherl, bewaffnet mit einer Saublase, obliegt die Aufgabe das Szenario zu überwachen. Und aufzupassen, dass keiner von den Großen den fleißigen Kleinen ihre Belohnung klaut.
Wer ganz genau hinschaut, wird auf dem ein oder anderen antiken Flinserlkostüm den berühmten Venediger Mohrenkopf bemerken. Dies ist keine zusammenhanglose Imitation. Man vermutet, dass die prächtigen Gewänder durch den Salzhandel aus Venedig nach Bad Aussee gekommen sind und so zum Karneval in der Lagune der Galeeren einen direkten Bezug haben.