Donnerstag, 7. November 2013

Strom kommt aus der Steckdose - oder vom Kraftwerk Jochenstein :-)

Das Wasserkraftwerk in Jochenstein liefert Kraft aus der Natur

Das Kraftwerk Jochenstein ist das größte Flusskraftwerk Deutschlands: Dennoch versorgt es nicht ausschließlich Deutschland mit Strom. Die Hälfte der produzierten Energie geht nach Deutschland, die andere Hälfte nach Österreich. Der Grund dafür:
hier an seinem Standort in der Nähe der Dreiflüssestadt Passau verläuft die Donau sowohl auf der deutschen als auch auf der österreichischen Seite.

Elf Kraftwerke liegen auf dem Weg der Donau zwischen Passau und Wien, sie stauen den Fluss jeweils bis zum nächsten Kraftwerk zurück. Insgesamt überwindet die Donau 2 203 Kilometer auf ihrem Weg bis zum schwarzen Meer. Interessant ist auch, dass hier die Flusskilometer nicht von der Quelle, sondern von der Mündung aus gemessen werden.

Schon bei der Planung galt es, die besondere Lage zu berücksichtigen. Keiner der beiden Staaten wäre alleine berechtigt gewesen, die Donau zu nutzen. So schloss man im Jahr 1952 einen Kompromiss, welcher bereits während der Bauphase diverse Eigenheiten nach sich zog. Die gesamte Baustelle wurde eingezäunt, wodurch eine Zollenklave geschaffen wurde. Die Hälfte der 3000 bis 4000köpfigen Belegschaft bestand aus deutschen, die anderen Hälfte aus österreichischen Arbeitern. Selbstverständlich musste es auch einen deutschen und einen österreichischen Geschäftsführer geben. Um den Verwirrungen der damals geltenden Währungen Schilling und DM auszuweichen, wurde eigenes Geld verwendet - das Arge Jochenstein.

Obwohl bereits vor 50 Jahren erbaut, befindet sich das Kraftwerk heute auf dem modernsten Stand, selbst mit der modernen Technik könnte nicht mehr Energie gewonnen werden. Es liefert den notwendigen Strom für 220 000 Einfamilienhäuser, wobei allerdings als Kleinabnehmer nur der Ort Jochenstein selbst beliefert wird, die größte Menge geht in das Umspannwerk Ranshofen und von dort das dortige Aluminiumwerk. Die Jahreserzeugung beträgt im Durchschnitt 850 Millionen kw/h, das entspricht dem Verbrauch einer Stadt wie Passau.

Im Werk wurden 5 Kaplanturbinen mit senkrechter Welle eingesetzt, weil sie die Eigenschaft besitzen mit einer geringen Fallhöhe auszukommen. Je Turbine werden 29000 kw produziert mit einer Schluckfähigkeit von je 410 Kubikmeter pro Sekunde. Sie leisten 65 Umdrehungen pro Minute und haben einen Laufraddurchmesser von 7,4 Meter. Im Falle von Hochwasser ab 2050 Kubikmeter pro Sekunde kann hier keine Energie mehr gewonnen werden. Dann muss das Wasser über die 6-feldrige Wehranlage abgeleitet werden. Jedes Jahr im Herbst werden die verwendeten Kaplanturbinen überprüft. Im Herbst deswegen, weil zu dieser Zeit der Wasserstand der Donau am niedrigsten ist.

Es handelt sich um ein gigantisches Bauwerk mit einer Höhe von 59 Meter und 420 Meter Breite, welches sich harmonisch in die Landschaft einfügt. Der Architekt Roderich Fick ließ sich von den Bergen ringsum und vom Flusslauf der Donau inspirieren. Verwendet wurde - neben 480 000 Kubikmeter Beton - Material vom Feinsten, der Boden mit einer Fläche von 55000 Quadratmeter ist aus Solnhofer Marmor, die Verkleidung außen besteht aus Granit. Geheizt wird das gesamte Gebäude mit der Abwärme, welche während der Energiegewinnung entsteht.

Zwei Schleusenkammern mit einer Länge von 240 Metern und einer Breite von 24 Metern ermöglichen es den Schiffen in zwanzig Minuten das Kraftwerk zu durchfahren. Der Wasserinhalt pro Schleuse liegt bei 55000 Kubikmeter.

Heute beschäftigt das Werk 38 Mitarbeiter, darunter eigene Taucher, welche für schweres Gerät ausgebildet sind zum Reinigen der Abdichtplatten und der unter Wasser anfallenden Arbeiten. Eigene Eisbrecher-Schiffe können im Winter notfalls zum Einsatz gebracht werden.

Die gekrümmte Bauweise des Werkes ist keinesfalls versehentlich, es dient dem Zweck den Ansturm des Wassers zu verbessern. In den großen Rechen, welche Grobteile abhalten sollen ist teilweise Kurioses zu finden. Alles was größer ist als 10 Zentimeter kommt nicht an die Turbinen heran. Allerdings finden sich gelegentlich auch sehr große Teile im Auffangbecken. Da bleibt schon mal ein 20 Meter langer Baum, ein Kühlschrank oder auch eine Wasserleiche hängen.

Über seine Funktion als Energiegewinner hinaus steht das Kraftwerk als Anschauungsobjekt auch für Gruppenführungen ab zwanzig Personen nach Anmeldung offen. Ein Gang über das Kraftwerk, durch das die großen Wassermassen strömen ist ein Erlebnis. Der Übergang stellt außerdem die Staatsgrenze zu Österreich dar und ist Teil des sogenannten Schmugglerweges. Gleich daneben befindet sich das Haus am Strom. Ein Informationszentrum in Form eines Fisches. Im Inneren befindet sich der einzige Wasserkraftaufzug der Welt. Der aus dem Wasser ragende Fels, welcher vom Kraftwerk aus zu sehen ist trägt eine Votivtafel mit einer Abbildung von Jochenstein