Das Kraftwerk
Jochenstein ist das größte Flusskraftwerk Deutschlands: Dennoch versorgt
es nicht ausschließlich Deutschland mit Strom. Die Hälfte der produzierten
Energie geht nach Deutschland, die andere Hälfte nach Österreich. Der Grund
dafür:
hier
an seinem Standort in der Nähe der Dreiflüssestadt Passau verläuft die Donau
sowohl auf der deutschen als auch auf der österreichischen Seite.
Elf
Kraftwerke liegen auf dem Weg der Donau zwischen Passau und Wien, sie stauen
den Fluss jeweils bis zum nächsten Kraftwerk zurück. Insgesamt überwindet die
Donau 2 203 Kilometer auf ihrem Weg bis zum schwarzen Meer. Interessant ist
auch, dass hier die Flusskilometer nicht von der Quelle, sondern von der
Mündung aus gemessen werden.
Schon
bei der Planung galt es, die besondere Lage zu berücksichtigen. Keiner der beiden
Staaten wäre alleine berechtigt gewesen, die Donau zu nutzen. So schloss man im
Jahr 1952 einen Kompromiss, welcher bereits während der Bauphase diverse
Eigenheiten nach sich zog. Die gesamte Baustelle wurde eingezäunt, wodurch eine
Zollenklave geschaffen wurde. Die Hälfte der 3000 bis 4000köpfigen Belegschaft
bestand aus deutschen, die anderen Hälfte aus österreichischen Arbeitern. Selbstverständlich
musste es auch einen deutschen und einen österreichischen Geschäftsführer
geben. Um den Verwirrungen der damals geltenden Währungen Schilling und DM
auszuweichen, wurde eigenes Geld verwendet - das Arge Jochenstein.
Obwohl
bereits vor 50 Jahren erbaut, befindet sich das Kraftwerk heute auf dem
modernsten Stand, selbst mit der modernen Technik könnte nicht mehr Energie
gewonnen werden. Es liefert den notwendigen Strom für 220 000
Einfamilienhäuser, wobei allerdings als Kleinabnehmer nur der Ort Jochenstein
selbst beliefert wird, die größte Menge geht in das Umspannwerk Ranshofen und von
dort das dortige Aluminiumwerk. Die
Jahreserzeugung beträgt im Durchschnitt 850 Millionen kw/h, das entspricht dem
Verbrauch einer Stadt wie Passau.
Im
Werk wurden 5 Kaplanturbinen mit senkrechter Welle eingesetzt, weil sie die
Eigenschaft besitzen mit einer geringen Fallhöhe auszukommen. Je Turbine werden
29000 kw produziert mit einer Schluckfähigkeit von je 410 Kubikmeter pro
Sekunde. Sie leisten 65 Umdrehungen pro Minute und haben einen
Laufraddurchmesser von 7,4 Meter. Im Falle von Hochwasser ab 2050 Kubikmeter
pro Sekunde kann hier keine Energie mehr gewonnen werden. Dann muss das Wasser
über die 6-feldrige Wehranlage abgeleitet werden. Jedes Jahr im Herbst werden
die verwendeten Kaplanturbinen überprüft. Im Herbst deswegen, weil zu dieser
Zeit der Wasserstand der Donau am niedrigsten ist.
Es
handelt sich um ein gigantisches Bauwerk mit einer Höhe von 59 Meter und 420
Meter Breite, welches sich harmonisch in die Landschaft einfügt. Der Architekt
Roderich Fick ließ sich von den Bergen ringsum und vom Flusslauf der Donau
inspirieren. Verwendet wurde - neben 480 000 Kubikmeter Beton - Material vom
Feinsten, der Boden mit einer Fläche von 55000 Quadratmeter ist aus Solnhofer
Marmor, die Verkleidung außen besteht aus Granit. Geheizt wird das gesamte
Gebäude mit der Abwärme, welche während der Energiegewinnung entsteht.
Zwei
Schleusenkammern mit einer Länge von 240 Metern und einer Breite von 24 Metern
ermöglichen es den Schiffen in zwanzig Minuten das Kraftwerk zu durchfahren.
Der Wasserinhalt pro Schleuse liegt bei 55000 Kubikmeter.
Heute
beschäftigt das Werk 38 Mitarbeiter, darunter eigene Taucher, welche für schweres
Gerät ausgebildet sind zum Reinigen der Abdichtplatten und der unter Wasser
anfallenden Arbeiten. Eigene Eisbrecher-Schiffe können im Winter notfalls zum
Einsatz gebracht werden.
Die
gekrümmte Bauweise des Werkes ist keinesfalls versehentlich, es dient dem Zweck
den Ansturm des Wassers zu verbessern. In den großen Rechen, welche Grobteile
abhalten sollen ist teilweise Kurioses zu finden. Alles was größer ist als 10
Zentimeter kommt nicht an die Turbinen heran. Allerdings finden sich
gelegentlich auch sehr große Teile im Auffangbecken. Da bleibt schon mal ein 20
Meter langer Baum, ein Kühlschrank oder auch eine Wasserleiche hängen.
Über
seine Funktion als Energiegewinner hinaus steht das Kraftwerk als
Anschauungsobjekt auch für Gruppenführungen ab zwanzig Personen nach Anmeldung
offen. Ein Gang über das Kraftwerk, durch das die großen Wassermassen strömen
ist ein Erlebnis. Der Übergang stellt außerdem die Staatsgrenze zu Österreich
dar und ist Teil des sogenannten Schmugglerweges. Gleich daneben befindet sich
das Haus am Strom. Ein Informationszentrum in Form eines Fisches. Im Inneren
befindet sich der einzige Wasserkraftaufzug der Welt. Der aus dem Wasser ragende Fels, welcher vom
Kraftwerk aus zu sehen ist trägt eine Votivtafel mit einer Abbildung von
Jochenstein