Die Lust des Bösen
Ab Donnerstag auf dem Markt
Nervenkitzel pur
bietet der Fall der jungen Profilerin im LKA Berlin: Die Autorin des
Buches ist promovierte Sozialwissenschaftlerin, die Hauptfigur, Lea Lands, die
erste weibliche Profilerin deutschlandweit. So lassen auch die Personenbeschreibungen
der Beteiligten tief in deren Seele blicken. Blaue Augen leuchten hier nicht
wie das Meer, sondern „klar und rein, mit einer unergründlichen Tiefe wie der
eines Menschen, der in weite Fernen schauen kann“. Und Haare fallen über die
Stirnhälfte, so dass sie „die eine Seite verschatten und der anderen
Gesichtshälfte ein unabhängiges Eigenleben verleihen“.
In
ihrem Beruf ist die Hauptperson eben ständig auf der Suche nach dem Bösen, das
tief innen in jedem Menschen schlummert. Fasziniert von den Serienkillern
dieser Welt analysiert sie mit Vorliebe auch den Massenmörder Adolf Hitler und
ist auf der Suche nach der Antwort nach dem „Warum?“. Spielend kann sie sich in
die Gedankengänge der grausamsten Menschen, die dieser Planet je gesehen hat,
hineinversetzen.
Zielstrebig
tritt sie ihre Stelle beim LKA Berlin an mit ihrem Kollegen Max Hofmann, einem
Polizisten aus Leib und Seele kurz vor seiner Pensionierung. Und einer ersten
Begegnung, welche alles andere als ermutigend ist. Sehr klischeehaft und in
zahlreichen Krimis ein gerne verwendetes Thema. Ein alter Kollege mit einer
bissigen, rauen Fassade, welche – ganz vorhersehbar – von der jungen Kollegin
zum Einsturz gebracht wird. Allerdings steckt hinter diesem Fall ein ganz
besonders tiefer Abgrund, den es zu enthüllen gilt.
Auffallend
sind zahlreiche Schilderungen, welche versuchen die radikalen Gruppierungen von
der rechten Partei abzugrenzen und sie als Einzelkämpfer, welche nichts mit dem
heutigen nationalsozialistischen Gedankengut zu tun haben zu bagatellisierren.
Was doch gelegentlich den Anschein vermitteln könnte, die Autorin wolle die
Ziele der „Neuen“ Partei rechtfertigen.
Sehr
schnell absehbar ist auch, wer der Täter ist. Täter und Opferrollen stehen
fest. Was der Spannung allerdings keinen Abbruch tut, geht es hier doch darum,
die Seelenleben zu erforschen, die Motive zu ergründen und zugleich um eine
Suche nach Träumen und einem vergessenen Reich. Es gilt, Einblick in die
Gedanken eines grausamen Sadisten und seiner kranken Fantasien zu gewinnen.
Glücklicherweise werden die Schilderungen
eines bestialischen Mordes auf ein paar wenige Seiten reduziert, um das Werk
nicht in ein blutlüsternes Niveau absinken zu lassen. Zwischendurch wird der
Thriller sogar ausgesprochen erotisch und dann wieder grenzenlos brutal. Ein
gelungener Schwenk zwischen Handlungsorten und Zielpersonen, eine
Liebesgeschichte und den tiefen Abgründen der menschlichen Seele. Was alles in
allem dem Aufbau des Spannungsbogens zu Gute kommt.
Zwischendurch
sind die Ermittlungen etwa unschlüssig.
Die Autorin macht diese Lücken aber durch die flüssige Art zu schreiben wieder
wett. In den letzten Kapiteln überschlagen sich die Ereignisse, es kommen neue
Aspekte hinzu. Das Ende wirkt etwas hektisch, als wäre nicht mehr genügend
Platz in dem Buch gewesen oder keine Zeit mehr geblieben. Dabei hätte der Leser
gegen ein Weiterlesen der spannenden Lektüre sicher keine Einwände.
Offen
und somit Gedanken anregend für den Leser bleibt auch, ob es der Profilerin am
Ende gelingt, eines der wichtigsten Prinzipien ihres Berufes zu beherzigen.
Profiler müssen umschalten können und Distanz halten zwischen den Schicksalen
der Familien und dem Privatleben. Denn „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen,
dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund
blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“ (Friedrich Nietzsche)
Der Thriller gibt
Einblicke in die Psyche des Menschen, nebenbei enthält er informative Hinweise
über die Historie und das Gedankengut der rechten Szene. In erster Linie aber
ist es in psychologisch fundiertes, spannendes, facettenreiches und zugleich
sinnliches Werk.