Freitag, 3. Januar 2014

Über Sinn und Unsinn des Pilgerns

Der Film "Die Pilgerin" im ZDF

„Europa wurde durch die Pilger gemacht“: So lautet eine Aussage des Bernhard von Dadelsen in seiner Dokumentation „Der Weg der Pilgerin – Unterwegs nach Santiago de Compostela“. Sie wird am Sonntag, 05. Januar 2014, um 21.45 Uhr gezeigt. Nach dem ersten Teil des historischen Abenteuerfilms „Die Pilgerin“. Der Zweiteiler selbst wird am Sonntag, 05. Januar und am Montag 06. Januar 2014 jeweils um 20.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt. Eine Wiederholung sendet ZDFneo am Samstag, 11. Januar ab 20.15 Uhr.

Erzählt wird die Geschichte der jungen Tilla (gespielt von Josefine Preuß), die sich im 14. Jahrhundert gegen alle Widerstände auf den gefährlichen Weg nach Santiago de Compostela macht. Als Mann verkleidet trotzt sie den zahlreichen Gefahren auf der riskanten Reise, um den letzten Willen ihres Vaters zu erfüllen. 

Der Weg nach Santiago, bekannt als Jakobsweg, ist heute wieder so attraktiv wie im Mittelalter. Damals pilgerten neben Königen und Päpsten auch Grafen, Ritter, Kaufleute und Bauern. Bei der Ankunft bringen die Pilger den Weihrauch zum Schwingen, ein Relikt aus alten Zeiten? Früher diente der Weihrauch als Duftstoff gegen die diversen Gerüche der Pilger, welche allesamt in der Kirche übernachteten. Beim Pilgern waren und sind alle gleich. Auch heute noch trifft man auf einer Pilgerreise Hochleistungssportler, Pilgerclubs und Christen vereint. Was trieb und treibt diese Menschen an, derart massive Anstrengungen auf sich zu nehmen?



Schon immer wollten die Menschen an Orte reisen, an denen sie Gott besonders nahe kommen. Heute sagt man, Pilgern sind Suchende, die ihrem Leben eine neue Richtung geben wollen. Zu sich selbst finden und eine Ahnung von Freiheit und Glück spüren wollen. Die früheste schriftlich dokumentierte Reise eines christlichen Pilgers ins Heilige Land führte im Jahre 333 über den Landweg von Bordeaux nach Jerusalem.

Pilgern beschränkt sich allerdings nicht auf das Christentum. In allen Kulturen und Glaubensgemeinschaften findet man das Phänomen der Pilgerschaft.  Im alten Ägypten, in Babylon und bei den Sumerern. Schon lange vor den christlichen Pilgern machten sich Menschen auf den Weg zu einem besonderen Ort, dies konnte auch eine Keltenschanze, ein Baumheiligtum oder eine Höhle sein. Das Wort Pilger stammt von dem lateinischen Wort „peregrinus“ ab. In der Fremde sein.


Pilger als Multiplikatoren

Diese Fremden bildeten einst eine wichtige Komponente des Informationsflusses, zugegeben etwas langsam im Gegensatz zum heutigen Internet. Aber notwendig, um Kulturen zu verbinden und Neuigkeiten aus entfernten Ländern zu übermitteln.

Die Motivation sich auf die Reise zu machen war sehr unterschiedlich.  In der christlichen, mittelalterlichen Welt galt es meist, Busse zu tun oder ein Gelübde zu erfüllen. Einige erhofften sich Heilung oder Linderung einer Krankheit, andere wiederum wurden auf Strafpilgerschaft geschickt. Raufbolde, Mörder und Tagediebe auf dem Weg zur Läuterung. Manche machten sich aber durchaus auch auf, um der Heimat zu entfliehen. Wer früher auf Pilgerreise ging, kam sehr oft nicht mehr zurück. Zum einen weil die Reisen sehr beschwerlich waren, zum anderen weil der ein oder andere auch die Gelegenheit ergriff, sich „ab zu seilen“. Diejenigen, welche wieder an ihren Heimatort zurückkehrten brachten auch damals schon „Souvenirs“ als Beweis ihrer Anwesenheit am Heiligen Ort mit nach Hause. Schon zu dieser Zeit erkannte man also das einträgliche Geschäft mit Pilgerutensilien jeglicher Art. Und auch zu jener Zeit bereits gab es Hinweisschilder, welche den Reisenden den Weg wiesen wie zum Beispiel die Jakobsmuschel.

Die Todesstrafe für Pilger

Martin Luther hingegen konnte dem Pilgern nichts abgewinnen. Er wandte sich gegen das mit Aberglauben und Ablasshandel verbundene Pilgerwesen seiner Zeit. In Norwegen wurde das Pilgern im 16. Jahrhundert sogar unter Todesstrafe gestellt.

Einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der Welt ist nach wie vor Jerusalem, das zentrale Heiligtum der Juden, für die Christen bedeutend in Zusammenhang mit dem Tod und der Auferstehung Christi und die Muslime besuchen außer Mekka und Medina auch den Felsendom in Jerusalem. Die Wurzeln des Pilgerns liegen aber sehr viel weiter zurück.

Schon unsere Vorfahren, die Jäger und Sammler, erwählten Höhlen oder Anhöhen, die sie in einen besonderen Bann zogen. Die Kelten feierten ihre heidnischen Riten an solchen „Kraftorten“ wie sie es nannten. An solchen Orten haben buddhistische Mönche ihre Religion zelebriert, in der Einsamkeit meditiert und Zugang zum „Göttlichen“ gesucht. Ein halbes Jahrtausend bevor das Christentum entstand. Im Laufe der Geschichte wurden an diesen Initiationsplätzen Tempelanlagen und Kultstätten errichtet. Einer der berühmtesten Wallfahrtsorte in der antiken, griechischen Welt war der Tempel der Artemis in Ephesos.

Pilgern bedeutet also, auf dem Weg zu sein. Zu sich selbst und zu Antworten auf Fragen des täglichen Lebens. Es hat nicht nur christliche Hintergründe, es ist auch eine spirituelle, meditative Art des Tourismus. Während man in sich gekehrt die unberührte Natur durchstreift, vorbei an mystischen Orten, kann man die Gedanken schweifen lassen und sie ins Reine bringen. Pilgern bedeutet also zunächst eine Reise ins Ungewisse mit einem bestimmten Ort am Ende der Strecke. Dabei gilt: Der Weg ist das Ziel.