Dienstag, 13. Mai 2014

Führen die USA einen Lebensmittelkrieg

Hauptthema bei der Veranstaltung zum Thema Freihandelsabkommen in Straubing waren die Auswirkungen des TTIP auf die Landwirtschaft und kleine Unternehmen. Ein Freihandelsabkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zur Gewährleistung des Freihandels zwischen den Vertrag schließenden Staaten. Mit dem TTIP-Abkommen versprechen uns Wirtschaftsvertreter und Politiker mehr Wachstum und Arbeitsplätze in der EU und den USA. Sie wollen eine Ausdehnung der Handelsströme, mehr Marktfreiheit und größere Rechte für Konzerne.


Die Veranstalter zum Thema Freihandelsabkommen in der Gäubodenmetropole Straubing

Laut Studie des Ifo-Instituts entsteht in der EU ein zusätzliches Wachstum von 120 Milliarden Euro – in 10 Jahren. Die entspricht einem zusätzlichen Wachstum von 0,49 Prozent – in zehn Jahren, also pro Jahr 0,049 Prozent (Prof. Felbermayr, Ifo-Institut in Monitor 140130).

Vorteil für die deutsche Wirtschaft wäre laut Aussagen eine Öffnung des US-Marktes. Zudem gibt es eine Reihe von Standardsetzungen oder steuerlichen Behandlungen, die eindeutig keine andere Aufgabe haben, als europäische Produkte oder Dienstleistungen vom amerikanischen Markt fern zu halten. Die EU-Unternehmen erhoffen sich durch das TIPP Zugang zu diesem Markt. Im Vordergrund dieser Verhandlungen stehen also nicht wir als Verbraucher, sondern die Industrie. Skepsis herrscht außerdem gegenüber den Importen aus den USA, weil wir denken unsere Produkte sind sicherer. Dabei stellt sich jedoch die Frage, welche Verbrauchersicherheit haben wir überhaupt noch in Europa? Sind unsere bestehenden Standards ausreichend in allen Bereichen, sind sie vielleicht sogar übertrieben oder wurden sie längst aufgeweicht, ohne dass wir es bemerkt haben?

Hat das, was in den letzten Jahren von der EU kommt, überhaupt noch irgendetwas mit Verbraucherschutz zu tun? Schon längst werden nicht mehr die Interessen der Bürger, sondern die der Großkonzerne vertreten. Winter erwähnte auch, dass die Umsetzung der Gesetze besonders in Bayern streng kontrolliert werde, während das in anderen Ländern etwas lockerer gehandhabt wird. Ist TTIP also wirklich das große Problem, oder wurden die Weichen schon längst gestellt. Führen die USA nicht schon längsteinen Krieg um die Lebensmittel. Auch da müssten grundsätzliche Überlegungen angestrengt werden.

Im Hinblick auf das TIPP können wir davon ausgehen, dass die amerikanischen Bürger ebenso nicht unbedingt glücklich sind über das Abkommen. Hintergrund sind sicher teilweise auch verschiedene Auffassungen in der Bevölkerung. Während wir uns über in Chlor getauchte Hühner aufregen, wollen die Amerikaner keinesfalls so etwas wie Blauschimmelkäse auf dem Speiseplan erlaubt sehen. Allerdings sitzen die Probleme noch viel tiefer.

Es droht die Gefahr, dass auf beiden Seiten gute bestehende Gesetze gegen die schlechten des anderen Partners ausgetauscht werden. Europa als starke Wirtschaftsmacht kann und muss in der Welt dagegen kämpfen. Im Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz wären auf dem europäischen Markt Klon- und Hormontiere erlaubt. Ein anschauliches Beispiel dafür, dass die Gentechnik eine größere Auswirkung auf die Landwirtschaft und das Umfeld hat, als wir es uns vorstellen können, gab Winter mit dem Lachs-Grizzly-Vergleich. Ein Gen manipulierter Lachs enthält nicht die Enzyme, die der Grizzly-Bär zur Fettspeicherung benötigt. Da der Grizzly sich ausschließlich von Lachs ernährt, fehlt ihm dieser wichtige Bestandteil, so dass ein Überwintern unmöglich gemacht wird. Eine Langzeitfolge davon wäre, dass der Grizzly vom Aussterben bedroht ist.

Ganzheitlich betrachtet ist das TIPP ein Angriff auf wesentliche Errungenschaften, welche die Bürger Europas in den vergangenen Jahrzehnten erstritten haben. Wie zum Beispiel die Arbeitnehmerrechte. In den USA dürfen Gewerkschaften keine Tarifverhandlungen führen, Arbeitsschutz und Mindestlohn würden ausgehebelt. Die EU verhandelt aber auch in großem Stil mit den USA über die sogenannte Liberalisierung der kommunalen Daseinsvorsorge – die kommunale Wasserversorgung und Abfallentsorgung stehen dann zur Diskussion. TTIP ist ein Generalangriff der amerikanischen Konzerne auf unsere Demokratie.

Bislang exportiert die EU in die USA Agrarwaren im Wert von 1,6 Milliarden und importiert Agrarwaren im Wert von 2 Milliarden Euro. Das klingt nicht, als würde TIPP im landwirtschaftlichen Bereich eine Benachteiligung für Europa darstellen. In die USA werden vor allem weiterverarbeitete Produkte wie Kaffee, Süßwaren, Dauerbackwaren und Molkereiprodukte eingeführt. Aus den Vereinigten Staaten importiert Deutschland dagegen vor allem Rohstoffe wie Sojabohnen, Fisch und Fleisch. Allerdings sind deutsche Agrarhandelsgeschäfte dadurch gekennzeichnet, dass scheinbar billig erzeugte Futtermittel (vor allem Eiweißfutter) importiert werden. Damit wird die zunehmende Massentierhaltung forciert. Es werden Überschüsse von Milch- und Fleischprodukten erzeugt, die wiederum in den Export gehen, zum Teil auch in Entwicklungsländer und dort bereits nachweislich zu Marktstörungen führen. Bäuerliche Höfe sowohl in Deutschland (und EU-weit) als auch in den USA werden weiter unterDruck geraten und noch mehr dem „Wachsen- oder Weichen“ Paradigma ausgesetzt. Nutznießerist die Lebensmittel- und Agrarindustrie, deren Interessen neue Märkte in Drittländern und Zugangzu billigen Rohstoffen sind.

Betrachtet man das Ganze am Beispiel des NAFTA, des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens  zwischen USA-Kanada-Mexico, welches 1994 in Kraft getreten ist, lässt sich folgendes feststellen. Laut offizieller Darstellung sollte es Gewinner und Verlierer geben. Nun leiden kleine und mittlere Landwirtschaftsbetriebe in Mexiko unter dem Wettbewerbsdruck der US-Agrarunternehmen. Heute ist Mexiko ein Netto-Importeur von landwirtschaftlichen Produkten. Großkonzerne konnten hingegen vom freien Warenverkehr profitieren.Mexico konnte im Vorfeld seinen Nahrungsmittelbedarf selber decken, heute sind 20 Mio. Mexikaner unterernährt. Das Ergebnis sind 30 % Import bei einer Preissteigerung von 66 %. 3 Millionen Kleinbauern haben aufgegeben, weiles billiger ist einen Sack Mais zu kaufen als einen zu produzieren. Mexico hatte zuvor Import besteuert und eine Preisgarantie für die heimischen Bauern gegeben, was mit NAFTA wegfiel. Die Subventionen der Großproduzenten in den USA jedoch blieben bestehen. Bei uns ist die Situation ähnlich. Aufgrund unserer Auflagen wird die Produktion der Lebensmittel in der EU immer teurer, unsere Landwirtschaft wird mit den US-Produzenten nicht mehr mithalten können.

Die Folge des Abkommens wäre also eine Verschiebung. Da unsere Produktionskosten in Europa  am höchsten sind, wäre die Folge davon mehr landwirtschaftliche Großindustrie.
Aufgrund des Lissabonvertrages muss das EP zustimmen und die EU Kommission das EP informieren. Es stellt sich jedoch die Frage, ob wir überhaupt mit den Verhandlungen fortfahren dürfen, solange die NSA-Affäre noch im Raum steht. Abgesehen von den gewaltigen Unterschieden in den diversen Bereichen wie z.B. in der Produktzulassung. Die USA legen immer noch nicht alle Papiere zum Verhandlungsstand offen und bewegen sich so gut wie gar nicht.


Es müssen die Chancen und Risiken genau ausgelotet werden, aber auf den tatsächlichen Grundlagen und nicht nur im Interesse der Industrie unter dem Deckmantel, dem Verbraucherschutz zu dienen. Darüber hinaus haben wir ein soziales Ungleichgewicht in Europa das zunächst einmal geregelt werden muss.