Bonmot "Kohldampf schieben"
Der
Ausdruck Kohldampf schieben bietet Raum für eine Menge Spekulationen. Hat man
den noch dampfenden Kohl auf einem Serviertisch herein geschoben und damit den
Hunger gestillt. Sicher nicht. Kohl ist eine Arme-Leute-Speise gewesen und die
bekamen ihre Mahlzeiten unter Garantie nicht auf einem Tablettchen serviert. Es gibt
auch keinen Zusammenhang mit dem „Dampf machen“ im Sinne von schnell garen wie
z.B. in einem Schnellkopf. Man kann da keineswegs zur Eile antreiben, da gerade
der Kohl relativ lange Kochzeiten benötigt. Es wird auch nicht abgeleitet
davon, weil man das Gemüse gelegentlich dämpft, bevor es auf den Tellern
landet. Oder vielleicht kommt die Redewendung daher – wenn etwas dampft
reagiert der Körper in freudiger Erwartung einer Speise. Nase an Magen. Es
dampft und riecht, da kommt gleich was zu essen. Auch das erscheint nicht
sinnvoll. Wie man ja weiß, verströmt der Kohl gerade beim Kochen einen
besonders intensiven, aber überwiegend
unangenehmen Geruch, der noch lange in der Küche verhaftet bleibt. Aber auch
diese Erklärung ist falsch.
Die
Entstehungsgeschichte ist ganz banal. Es handelt sich schlicht um eine wörtliche
Übersetzung. In gewisser Weise aus einer Fremdsprache. Jedenfalls für
diejenigen, welche nicht vorzugsweise in Gaunerkreisen verkehren. Aus einer Art
Geheimsprache oder „Fachjargon“ für Halunken und Landstreicher, dem
Rotwelschen, stammt das „Kohldampf schieben“. Rotwelsche waren soziale
Randgruppen, welche es bereits im späten Mittelalter schon gegeben hat. Diese
Bezeichnung wiederum entstand aus dem Wort Rotte für Rot und welsch beschreibt
etwas Fremdartiges. Das ist ganz nebenbei bemerkt der Grund, weshalb die
Münchner die Türme ihrer Frauenkirche als welsche Hauben bezeichneten. Weil die
Zwiebelform zur Bauzeit im bayerischen Raum vorher noch nicht vertreten war und
äußerst merkwürdig erschienen ist. Rotwelsch ist insgesamt eine abwertende
Bezeichnung für einen gewissen Personenkreis. Und die hatten ihren eigenen Dialekt
oder ihren eigenen Slang wenn man so will. Um sich miteinander zu verständigen
und ihre Identität und Zusammengehörigkeit zueinander zu demonstrieren. So
ähnlich wie die Börsianer heutzutage. Die sprechen ja auch ihre ureigene
Sprache.
Und
in diesem Kauderwelsch bezeichnet das Wort Kohler den Hunger. Verstärkt wird
der Begriff noch durch den Anhang Dampf. Scheffen hingegen steht für das Verb
sein/haben. Also zusammengefasst: Kohl verstärkt mit Dampf und scheffen dazu Hunger
sein/haben ist gleich Kohldampf schieben. Wir sehen, Kohldampf schieben hat mit
Kohl absolut nichts zu tun. Dem Kohl verdanken wir Deutschen höchstens die
Bezeichnung „Krauts“ – Sauerkrautesser, wie wir einst von Engländern und
Amerikanern nicht gerade liebevoll genannt wurden. Nun, dabei haben wir
Deutschen absolut nicht das Sauerkraut für
uns gepachtet. Am häufigsten verspeist wird das nämlich in Frankreich. Und überwiegend
hergestellt ebendort. Als Vermächtnis französischer Mönche, die Idee ihrerseits
von den Römern geklaut haben sollen.
Aber
wenn wir schon mal beim Kohl sind - um die Tatsache zu relativieren, dass
dieser bei der Zubereitung eigenartige Düfte von sich gibt. Beim Verzehr
schmeckt er ganz vorzüglich und liefert gerade in der kalten Jahreszeit
heimische Genüsse mit wertvollen Inhaltsstoffen.