Dienstag, 3. November 2015

Bonmot "Kohldampf schieben"

Bonmot "Kohldampf schieben"


Der Ausdruck Kohldampf schieben bietet Raum für eine Menge Spekulationen. Hat man den noch dampfenden Kohl auf einem Serviertisch herein geschoben und damit den Hunger gestillt. Sicher nicht. Kohl ist eine Arme-Leute-Speise gewesen und die bekamen ihre Mahlzeiten unter Garantie  nicht auf einem Tablettchen serviert. Es gibt auch keinen Zusammenhang mit dem „Dampf machen“ im Sinne von schnell garen wie z.B. in einem Schnellkopf. Man kann da keineswegs zur Eile antreiben, da gerade der Kohl relativ lange Kochzeiten benötigt. Es wird auch nicht abgeleitet davon, weil man das Gemüse gelegentlich dämpft, bevor es auf den Tellern landet. Oder vielleicht kommt die Redewendung daher – wenn etwas dampft reagiert der Körper in freudiger Erwartung einer Speise. Nase an Magen. Es dampft und riecht, da kommt gleich was zu essen. Auch das erscheint nicht sinnvoll. Wie man ja weiß, verströmt der Kohl gerade beim Kochen einen besonders intensiven, aber  überwiegend unangenehmen Geruch, der noch lange in der Küche verhaftet bleibt. Aber auch diese Erklärung ist falsch.  

Die Entstehungsgeschichte ist ganz banal. Es handelt sich schlicht um eine wörtliche Übersetzung. In gewisser Weise aus einer Fremdsprache. Jedenfalls für diejenigen, welche nicht vorzugsweise in Gaunerkreisen verkehren. Aus einer Art Geheimsprache oder „Fachjargon“ für Halunken und Landstreicher, dem Rotwelschen, stammt das „Kohldampf schieben“. Rotwelsche waren soziale Randgruppen, welche es bereits im späten Mittelalter schon gegeben hat. Diese Bezeichnung wiederum entstand aus dem Wort Rotte für Rot und welsch beschreibt etwas Fremdartiges. Das ist ganz nebenbei bemerkt der Grund, weshalb die Münchner die Türme ihrer Frauenkirche als welsche Hauben bezeichneten. Weil die Zwiebelform zur Bauzeit im bayerischen Raum vorher noch nicht vertreten war und äußerst merkwürdig erschienen ist. Rotwelsch ist insgesamt eine abwertende Bezeichnung für einen gewissen Personenkreis. Und die hatten ihren eigenen Dialekt oder ihren eigenen Slang wenn man so will. Um sich miteinander zu verständigen und ihre Identität und Zusammengehörigkeit zueinander zu demonstrieren. So ähnlich wie die Börsianer heutzutage. Die sprechen ja auch ihre ureigene Sprache.

Und in diesem Kauderwelsch bezeichnet das Wort Kohler den Hunger. Verstärkt wird der Begriff noch durch den Anhang Dampf. Scheffen hingegen steht für das Verb sein/haben. Also zusammengefasst: Kohl verstärkt mit Dampf und scheffen dazu Hunger sein/haben ist gleich Kohldampf schieben. Wir sehen, Kohldampf schieben hat mit Kohl absolut nichts zu tun. Dem Kohl verdanken wir Deutschen höchstens die Bezeichnung „Krauts“ – Sauerkrautesser, wie wir einst von Engländern und Amerikanern nicht gerade liebevoll genannt wurden. Nun, dabei haben wir Deutschen absolut nicht  das Sauerkraut für uns gepachtet. Am häufigsten verspeist wird das nämlich in Frankreich. Und überwiegend hergestellt ebendort. Als Vermächtnis französischer Mönche, die Idee ihrerseits von den Römern geklaut haben sollen.


Aber wenn wir schon mal beim Kohl sind - um die Tatsache zu relativieren, dass dieser bei der Zubereitung eigenartige Düfte von sich gibt. Beim Verzehr schmeckt er ganz vorzüglich und liefert gerade in der kalten Jahreszeit heimische Genüsse mit wertvollen Inhaltsstoffen.