Montag, 2. November 2015

Buchrezension "Die Lust des Bösen"



Nervenkitzel pur bietet der Fall der jungen Profilerin im LKA Berlin: Die Autorin des Buches ist promovierte Sozialwissenschaftlerin, die Hauptfigur, Lea Lands, die erste weibliche Profilerin deutschlandweit. So lassen auch die Personenbeschreibungen der Beteiligten tief in deren Seele blicken. Blaue Augen leuchten hier nicht wie das Meer, sondern „klar und rein, mit einer unergründlichen Tiefe wie der eines Menschen, der in weite Fernen schauen kann“. Und Haare fallen über die Stirnhälfte, so dass sie „die eine Seite verschatten und der anderen Gesichtshälfte ein unabhängiges Eigenleben verleihen“.

In ihrem Beruf ist die Hauptperson eben ständig auf der Suche nach dem Bösen, das tief innen in jedem Menschen schlummert. Fasziniert von den Serienkillern dieser Welt analysiert sie mit Vorliebe auch den Massenmörder Adolf Hitler und ist auf der Suche nach der Antwort nach dem „Warum?“. Spielend kann sie sich in die Gedankengänge der grausamsten Menschen, die dieser Planet je gesehen hat, hineinversetzen.

Zielstrebig tritt sie ihre Stelle beim LKA Berlin an mit ihrem Kollegen Max Hofmann, einem Polizisten aus Leib und Seele kurz vor seiner Pensionierung. Und einer ersten Begegnung, welche alles andere als ermutigend ist. Sehr klischeehaft und in zahlreichen Krimis ein gerne verwendetes Thema. Ein alter Kollege mit einer bissigen, rauen Fassade, welche – ganz vorhersehbar – von der jungen Kollegin zum Einsturz gebracht wird. Allerdings steckt hinter diesem Fall ein ganz besonders tiefer Abgrund, den es zu enthüllen gilt.

Auffallend sind zahlreiche Schilderungen, welche versuchen die radikalen Gruppierungen von der rechten Partei abzugrenzen und sie als Einzelkämpfer, welche nichts mit dem heutigen nationalsozialistischen Gedankengut zu tun haben zu bagatellisierren. Was doch gelegentlich den Anschein vermitteln könnte, die Autorin wolle die Ziele der „Neuen“ Partei rechtfertigen.

Sehr schnell absehbar ist auch, wer der Täter ist. Täter und Opferrollen stehen fest. Was der Spannung allerdings keinen Abbruch tut, geht es hier doch darum, die Seelenleben zu erforschen, die Motive zu ergründen und zugleich um eine Suche nach Träumen und einem vergessenen Reich. Es gilt, Einblick in die Gedanken eines grausamen Sadisten und seiner kranken Fantasien zu gewinnen. Glücklicherweise  werden die Schilderungen eines bestialischen Mordes auf ein paar wenige Seiten reduziert, um das Werk nicht in ein blutlüsternes Niveau absinken zu lassen. Zwischendurch wird der Thriller sogar ausgesprochen erotisch und dann wieder grenzenlos brutal. Ein gelungener Schwenk zwischen Handlungsorten und Zielpersonen, eine Liebesgeschichte und den tiefen Abgründen der menschlichen Seele. Was alles in allem dem Aufbau des Spannungsbogens zu Gute kommt.  

Zwischendurch sind  die Ermittlungen etwa unschlüssig. Die Autorin macht diese Lücken aber durch die flüssige Art zu schreiben wieder wett. In den letzten Kapiteln überschlagen sich die Ereignisse, es kommen neue Aspekte hinzu. Das Ende wirkt etwas hektisch, als wäre nicht mehr genügend Platz in dem Buch gewesen oder keine Zeit mehr geblieben. Dabei hätte der Leser gegen ein Weiterlesen der spannenden Lektüre sicher keine Einwände.

Offen und somit Gedanken anregend für den Leser bleibt auch, ob es der Profilerin am Ende gelingt, eines der wichtigsten Prinzipien ihres Berufes zu beherzigen. Profiler müssen umschalten können und Distanz halten zwischen den Schicksalen der Familien und dem Privatleben. Denn „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“ (Friedrich Nietzsche)

Der Thriller gibt Einblicke in die Psyche des Menschen, nebenbei enthält er informative Hinweise über die Historie und das Gedankengut der rechten Szene. In erster Linie aber ist es in psychologisch fundiertes, spannendes, facettenreiches und zugleich sinnliches Werk.



Die Lust des Bösen von Cassandra Negra, Jerry Media Verlag, ISBN 978-3-9523906-0-3, www.jerrymedia.eu